Bielefeld

Förderverein Projekt Wäschefabrik

Gründungsjahr: 1989

Das Museum Wäschefabrik in Bielefeld
Ein Kleinod der Industriekultur

Es hat einige Jahre Geduld erfordert, bis die Mitglieder des Fördervereins Projekt Wäschefabrik endlich die Türen für die Besucher ihres einzigartigen Museums öffnen konnten, doch die Beharrlichkeit hat sich geloht. Das Museum in Bielefeld wird allenthalben

gelobt, denn es ist kein üblicher Museumstempel, sondern eine Fabrik, die den Eindruck erweckt, als seien die Beschäftigten gerade eben zur Mittagspause gegangen. In Bielefeld, einst »Leinenstadt« genannt, war neben der Metallindustrie mit dem dort führenden Nähmaschinenbau und der Textilindustrie die Wäscheindustrie ein wichtiger Wirtschaftszweig. Generationen von Frauen hat ihr Arbeitsleben als Näherin, Stickerin oder Büglerin in einer der zahlreichen meist mittelständischen Wäscheunternehmen geprägt. So ist es ein Glücksfall, dass eine dieser für die Stadt einst typischen Fabrikationsstätten erhalten werden konnte und heute als Museum der Öffentlichkeit präsentiert wird.

Es war eine kleine Gruppe enthusiastischer Menschen, die sich zum
Ziel gesetzt hatte, die 1980 geschlossene Fabrik mit ihrer kompletten Einrichtung zu erhalten und als Museum zugänglich zu machen. 1989
gründete dieser Kreis den »Förderverein Projekt Wäschefabrik«. Bis 1993
dauerte der Kampf um die Realisierung des ersten Ziels, den Erwerb des denkmalgeschützten Gebäudes von 1912/13 im so genannten Spinne-
reiviertel im Osten der Stadt gelegen. Nach der Übernahme der Fabrik entwickelte der Verein ein Restaurierungskonzept, das eine möglichst vollständige Erhaltung der Bausubstanz und der vorgefundenen Einrich-
tung zum Ziel hatte. Allein zum Schutz der Objekte mussten einige
Bereiche abgesperrt werden. Durch die zurückhaltende Restaurierung
konnte das Gebäude gesichert werden, ohne dass die Authentizität beeinträchtigt wurde.

Weiterhin erforschten die Mitglieder des Fördervereins den Werdegang
der bis 1938 von einem jüdischen Unternehmer geführten Fabrik und entwickelten Informationsangebote für die Besucher. Auch bei den Medien
für die Informationsvermittlung galt eine größtmögliche gestalterische Zurückhaltung. Die noch original eingerichteten Räume sollten nicht durch Texttafeln oder Videoinstallationen in ihrer Authentizität beeinträchtigt werden. Informationen zu den einzelnen Räumen, ihre Funktion und die einst darin tätigen Menschen werden daher anhand professionell gestalteter Textblätter vermittelt, die auf filigranen Holzpulten angebracht sind. Bei Bedarf, etwa für historische Filmaufnahmen, können selbst diese Pulte noch weggeräumt werden. Was dann zu sehen bleibt, sind die Spuren, die die Beschäftigten, die Frauen im Nähsaal und die zum Teil männlichen Angestellten in den Büros zurückgelassen haben.

Mit großem Engagement halten die Mitglieder des Fördervereins nun schon seit Jahren den Betrieb des Museums aufrecht. Um das Museum mit Leben zu füllen, kümmern sie sich um die historischen Maschinen, übernehmen an den Öffnungstagen ehrenamtlich den Kassendienst, bieten Gruppenführungen an, konzipieren Sonderausstellungen und organisieren Veranstaltungen. Auch werden wissenschaftliche Arbeitern von Studierenden der Bielefelder Universität unterstützt. Nachdem das Gebäude gerettet werden konnte, kümmern sich die Vereinsmitglieder nun um die Weiterentwicklung der Dauerausstellung und den Erhalt des historischen Fabrikgartens.

Im Jahre 2000 erhielt der Förderverein für den sensiblen Umgang mit dem Denkmal und dessen Umnutzung als Museum die »Silberne Halbkugel«, den höchsten Denkmalschutzpreis in Deutschland. Solange Zeitzeugen noch verfügbar sind, versuchen die Mitglieder des Fördervereins durch Oral History Projekte die Dimension der arbeitenden Menschen, die ja eine derartige Einrichtung erst mit Leben füllten, zu beleben. Außer aus Einzelgesprächen profitiert der Verein von den Ehemaligentreffen. In der Gemeinschaft und im persönlichen Austausch kommen dabei Details zutage, die im themengeführten Gespräch mit einzelnen Ehemaligen unentdeckt bleiben. Allerdings sind seit der Öffnung der Wäschefabrik die meisten aktiven Mitglieder zeitlich so stark in den Betrieb des Museum eingebunden, dass viele Forschungsbereiche nicht mehr ausreichend bedient werden können.

Dennoch bietet der Förderverein die übliche Palette musealer Nutzungen, vom freien Besuch, über Gruppen﷓ und spezielle Themenführungen bis hin zu Schulprojekten. Außerdem gibt es im »Kleinen Kultursalon« Lesungen und Konzerte, die durch die einzigartige Atmosphären des Hauses einen besonderen Reiz erhalten. Allerdings begrenzt die Kleinräumigkeit die Besucherzahlen, so dass Einnahmen kaum zu erzielen sind. Intention der Sonderaktionen ist es daher, immer wieder auf das Museum aufmerksam zu machen. Die gute Presseresonanz auf solche Veranstaltungen belegt den Erfolg dieser Vorgehensweise.

Als Spezialmuseum wäre eine überregionale Vermarktung wünschenswert, die jedoch nicht finanzierbar ist. Beim Fachpublikum liegen noch erschließ bare Besucherpotentiale, wie die Erfahrungen aus dem Jahr der Industriekultur zeigen. Aber auch die interessierten Laien kommen häufig von weit her, um das Museum anzusehen. Der Führer zum Jahr der Industriekultur erfasste erstmals landesweit die Museen im Industriebereich. Das darin aufgeführte Angebot wurde von vielen, z. T. von sehr weit angereisten Besuchern genutzt. Auf die überregionale Werbung ist es zurückzuführen, dass das Museum Wäschefabrik im Expojahr zu den wenigen Museen der Region gehörte, die keine Besucherrückgänge verzeichneten. Es konnte sogar 20 % Besucher mehr als im Vorjahr empfangen. Die auf dem Bild zu sehende Museumspädagogik ist die teuerste Vermittlungsform des musealen Angebots.

Für den alten Menschen besteht darin die Chance, Erinnerungen zu wecken und den Lebensweg zu überdenken. Bei der zu nehmenden »Überalterung« der Gesellschaft kommt der Beschäftigung mit sich und der Vergangenheit eine steigende Bedeutung zu. Diese Möglichkeit sieht das Museum Wäschefabrik und bietet Fortbildungen im Bereich der Biographiearbeit an.

Das Museum Wäschefabrik ist wie eine archäologische Ausgrabungsstätte. Viele Schichten warten noch auf ihre Freilegung. Im Waschkeller der Unternehmerwohnung hat sich einiges angesammelt. Die größte Aufgabe sieht der Förderverein darin, die jüdische Geschichte der Wäschefabrik und der Unternehmerfamilie ans Licht zu bringen. Kein Bereich ist entweder so bewusst aus dem Gebäude entfernt oder durch nachfolgende Bewohner der Unternehmerwohnung überlagert worden. Andererseits sieht es der Förderverein als eine Bildungsaufgabe an, über das Leben der jüdischen Menschen, die in diesem Haus wohnten und arbeiteten, zu informieren. Hier muss die Forschung auf viele Quellen zugreifen, die nicht im Gebäude überliefert sind. Das einzig heute noch lebende Familienmitglied, der Schwiegersohn des Firmengründers Hugo Juhl, hat im September 2000 zum Tag des offenen Denkmals die weite Anreise aus Kanada auf sich genommen, um für ein Zeitzeugeninterview vor die Kamera zu treten.

Öffnungszeiten:

So 11.00-18.00 Uhr
Führungen nach Voranmeldung
Anmeldungen können auch telefonisch erfolgen

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Kontakt:
Rüdiger Uffmann
Museum Wäschefabrik
Viktoriastraße 48 a
33602 Bielefeld
Fon: 05 21-6 04 64
Fax: 05 21-6 04 68